Dialekte
Dialekte, auch Mundarten genannt, sind Variationen einer Sprache, die nur in bestimmten Regionen verwendet werden. Deutschland ist ein Land der Dialekte. Das hängt damit zusammen, dass unser Land historisch und geografisch sehr vielfältig ist. Schon die Germanen sprachen unterschiedliche Stammesdialekte. Heute zählt man innerhalb Deutschlands 16 größere Dialektverbände, dazu gehören unter anderem Bayerisch, Alemannisch, Obersächsisch, Ostfränkisch, Rheinfränkisch, Westfälisch, Ostwestfälisch, Brandenburgisch und Nordniederdeutsch, die jeweils breite Übergangsgebiete haben. Die Mundarten werden in „hochdeutsche“ und „niederdeutsche“, also in Dialekte des bergigen „höheren“ Südens und des „niederen“, platten Nordens unterschieden. Das Zuordnungkritrium ist der Grad der Umsetzung der „Zweiten Lautverschiebung“, einem auch als „Hochdeutsche Lautverschiebung“ bekannten Spachwandel (zwischen 600 und 800), der vor allem die Konsonanten „p“, „t“ und „k“ betraf.[1]
Benrather Linie
Das Ausmaß dieses Lautwandels variiert von Süden nach Norden. Er verebbt an einer von West nach Ost verlaufenden Linie, die durch Düsseldorf-Benrath und nördlich der Orte Kassel, Wittenberg und Berlin bis nach Frankfurt an der Oder verläuft und Benrather Linie genannt wird. Sie trennt in (nördliche) niederdeutschen Dialekte, welche die Zweite Lautverschiebung nicht mitgemacht haben, und in (süddeutsche) hochdeutschen Dialekte die von der Lautverschiebung betroffen sind. In ihrem Verlauf stimmt die auch als „maken/machen“-Linie bezeichnete sprachliche Scheidegenze in weiten Teilen mit dem Verlauf der „ik/ich“-, der „tid/zeit“-, der „hebben/haben“-, der „dorp/dorf“-, der „korf/korb“-Linie, „up/uf“- und der „dat/das“-Linie überein.[2]
Hochdeutsch und Niederdeutsch
Die hochdeutschen Dialekte weisen als gemeinsames Charakteristikum die vollständig oder teilweise durchgeführte Lautverschiebung auf. Im Gegensatz dazu blieben die niederdeutschen Dialekte von diesen Lautwandelprozessen unberührt. Die ursprünglichen Laute, wie etwa in „dat“ (das) oder „ik“ (ich), sind erhalten geblieben, sodass auch heute im Platt noch immer Schipp (vgl. engl. ship; ndl. Schip), Appel (vgl. engl. apple), Tiet, dat und maken gesprochen wird.[3]. Der niederdeutsche Dialektraum wird in Ostniederdeutsch (mecklenburgisch-vorpommerscher, mittel- und südmärkischen und brandenburgischer Dialek) und in Westniederdeutsch (u.a. mit niederrheinischem, westfälischem, ostfälischem und nordfriesischem Dialekt) unterschieden.
Mitteldeutsch
In einem Breiten Streifen südlich der Benrather Linie bis zur Speyerer-Linie („Appel/Apfel“-Linie oder „Äppeläquator„) schließt sich der mitteldeutsche Sprachaum an. Hier wurde die Zweite Lautverschiebung („p“ wird zu „pf“ oder „f“ zu „t“) nur teilweise vollzogen. Dieses Übergangsgbiet reicht im Süden vom Elsass entlang der Mainlinie bis ins Erzgebirge und im Norden von Aachen über Nordhessen bis ins südliche Brandenburg. Zu diesem mitteldeutschen Sprachraum zählen Ostmitteldeutsch (vor allem Sächsisch und Thüringisch) und Westmitteldeutsch (u.a. Mittelfränkisch, Sächsisch, Pfälzisch und Rheinfränkisch). Letzteres weist bei der Umsetzug des Lautwandels eine besondere Staffelung auf und wird von einer Reihe meist in Ost-West-Richtung verlaufender Dialektgrenzen (Isoglossen oder „Linien“) durchzogen, die zusammen „Rheinischer Fächer“ genannt werden.
Oberdeutsch
Die in Süddeutschland, Liechtenstein, Südtirol, Österreich, der Schweiz und im Elsass gesprochenen Dilekte (Schwäbisch, Ostfränkisch, Bairisch, Alemannisch), welche das „p“ vollständig zu „pf“ verschoben haben („Apfel“ statt „Appel“ und „Pfund“ statt „Pund“), werden als oberdeutsche Dialekt bezeichnet. Als Trennlinie, welche nach dieser Definition die Nordgrenze der oberdeutschen Sprachen darstellt, gilt die Speyerer Linie („Appel/Apfel“-Linie), für den Westen aber auch die dort fast gleich verlaufende Germersheimer Linie („Pund/Pfund“-Linie) als Sprachlautgrenze zwischen Ober- und Mitteldeutsch. Im Hochalemannischen und im Tirolerischen – also südlich der „Kind/Kchind“-Linie – wurde die Konsonantenverschiebung am konsequentesten vollzogen. Hier wandelte sich der „k“-Laut zum Reibelaut „ch“. Das Personalpronomen „ik“ wurde zu „ich“ und „maken“ wurde zu „machen“. In der Schweiz ist diese Lautveränderung besonders gut zu beobachten, sogar im Anlaut spricht man hier ein „k“ als „ch“ aus, das Wort „Kind“ klingt also wie „Chind“.
[1] In germanischen Sprachen wie Englisch, Schwedisch oder Afrikaans haben die jeweiligen Wörter für Vater (father, far, vader) also einen „f“-Laut am Anfang. In anderen indoeuropäischen Sprachen klingen sie ähnlich, beginnen aber mit „p“ – Auf Italienisch und Spanisch heißt es padre und auf Griechisch πατέρας (patéras).
[2] Die Benrather Linie ist an und für sich ein ganzes Trennlinienbündel. Demnach könnte auch die Uerdinger Linie oder „ik/ich-Linie“ ebenso als Südgrenze der niederdeutschen Dialektgebiete angenommen werden. Als „ik/ich“-Linie (oder auch Uerdinger Linie) wird die Dialektgrenze zwischen Niederfränkisch („ik“) und dessen ripuarisch beeinflussten Variante, dem Südniederfränkisch („ich“), bezeichnet. „Dorp-Dorf“-Linie unterscheidet zwischen dem Ripuarischen („Dorp“) im Norden und dem Moselfränkischen („Dorf“) im Süden. Die „dat/das“-Linie (auch „wat/was“-Linie, Sankt Goarer- Linie und Hunsrück-Schranke genannt) unterscheidet im Norden das Moselfränkische („dat“) vom Rheinfränkischen („das“) im Süden.
[3] Ein weiteres Merkmal ist die Beibehaltung der alten westgermanischen Langvokale î (mien, sien), û (Huus) und iu (gesprochen ü: hüüt), während es im heutigen Hochdeutsch mein, sein, Haus und heute heißt.